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Leonies Tagebuch aus dem BMWi #1

Leonies Tagebuch aus dem BMWi #1

Auf der Suche nach der Bürokratie

THEATER meets MINISTERIUM

Leonies erster Tag als Praktikantin im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi)

Man gibt sich wirklich enorm viel Mühe mit der Inszenierung meines ersten Tages. Als hätte sich ein riesiges Team vorab abgesprochen, um die Erfahrung so authentisch und kafkaesk wie möglich zu gestalten.

Schon der unfreundliche Pförtner an Pforte 3 ist enorm gut gecastet. Wie er mich sehr streng anspricht, dass ich hier zu warten habe bis ich abgeholt werde, weil ich ja keinen Zugangsbescheid (oder so) habe. Zwei Worte gewechselt und schon ist die Grundstimmung klar. Misstrauen. Argwohn. Machtspielchen.

Ich spiele mit, ohne gefragt zu werden.

Ich glaube, ich muss.

Dann werde ich zum Glück wirklich abgeholt und zwar von einer sehr freundlichen Nadine.

Sie zeigt mir den Weg zu meinem eigenen Büro für die nächsten zwei Wochen.

Und es geht gleich weiter. Nadine läuft mit mir zum Personalbüro. Und auch hier bin ich wieder beeindruckt mit wie viel Liebe zum Detail sie diesen Weg inszeniert haben.

Erst gehen wir eine große Schlaufe im Kreis, um Karsten Kuchenbecker die Hand zu schütteln, dann geht es weiter durch viele Türrahmen und Treppen. Am Anfang versuche ich noch eine Besonderheit, ein Wiedererkennungszeichen zu finden, aber Bindung braucht Zeit, und die haben wir nicht. Also folge ich einfach und staune über die endlosen Gänge, mit den endlosen Türen und die im Akkord hängenden Überlichtlampen. Toller Ausstatter!

Die Dame im Personalamt ist sehr freundlich. Wir reden über den Vertrag. Sie gibt mir einen „Laufzettel“. Ich verstehe die Anspielung auf den Passierschein A38 von Asterix und Obelix, natürlich und finde es bemerkenswert, wie sie interkulturelle Referenzen und Gamification in ihre Inszenierung einbauen, ohne mit der Wimper zu zucken. Meine erste Aufgabe wird es sein, zwei Ämter zu finden: IT (bzw. ZA5 PC + Fernmeldewesen) und ZB5 (Dienstausweis und Zugangskontrollkarten). Mit Zweiterem sollte ich im unfreiwilligen Spiel gegen den Pförtner wohl ein Level Up schaffen.

Nadine bietet mir an, mich zu den zwei Stellen zu begleiten. Im Angesicht der Lage, dass ich schon lange nicht mehr weiß, wo in diesem Riesenkomplex ich mich befinde, nehme ich dankend an, obwohl ich glaube, dass es gegen die ungeschriebenen Spielregeln verstößt. Wir laufen wieder durch Gänge. „Hier beginnt der Anbau“ sagt sie, aber es ändert sich nur der Klang der Schritte. Ein anderer Hall. Teppiche und Lichter haben sich angepasst.

Plötzlich sind wir im Altbau und im Innenhof. Für einen Moment möchte man meinen, vor einem Schloss zu stehen. Ein riesiger Balkon. Ein Ballsaal darüber. Großer Brunnen davor. Hier arbeitet die Ministerin, aber auf dem großen Halbmondbalkon sei sie nur selten zu sehen. Ich sehe sie dort. Ich sehe mich dort. Wie wir mit Whiskey und Zigarette, den männlichen Insignien der Macht, dort abends sitzen und über alles lachen, was anderen wichtig ist.

Genug taggeträumt. Zurück in die endlosen Gänge. Die Ausstattung hat sogar dafür gesorgt, dass in einem Souterrain-Gang ein herrenloser Farbeimer im fast flackernden Licht steht. Vielleicht findet das Flackern auch nur in meinem Kopf statt und, die Gedanken vervollständigen das Bühnenbild. Ich bin wirklich gerührt, wie viel Mühe man sich mit meinem ersten Tag gemacht hat.

Dann kommen wir bei der IT an und jetzt bin ich fassungslos vor Anerkennung. Sogar einen Fensterputzer hat man für meine Ankunft engagiert. Er schäumt das Fenster ein, reinigt es und mir ist so, als würde der Vorhang der Bürokratie für mich gelichtet werden.

Task 2 (Zugangskontrollkarten) können wir leider erst nach dem ersten Termin erledigen.

Michael und Lena werden zu einer ausländischen Delegation von Fashion Designern über Kreativwirtschaft sprechen. Ich bin gespannt, die Darstellung der Kreativwirtschaft mal aus Sicht der Wirtschaft zu hören.

Also schnell zum Konferenzraum im dritten Stock. Die internationale Designer-Delegation kommt gleich an. Die Technik funktioniert auch hier nicht. Beamer läuft nicht. Michael wird nervös, weiß aber charmant einen Witz zu erzählen. „Früher hießen wir Ministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie. Zum Glück wurde das Technologie gestrichen.“

Wie sie das wieder geschafft haben, ist mir ja ein Rätsel. Ich weiß, wie schwer es ist, Technologie zum Laufen zu bringen, aber sie so zu manipulieren, dass sie erst nicht läuft. RESPEKT. Ein paar Minuten später kommt ein kleiner, behäbiger Techniker mit hellgrünem DDR-Shirt. Auch hier ein großes Kompliment an Casting und Kostüm!

Direkt nach der Vorstellungsrunde funktioniert die Präsentation dann doch. Natürlich.

Es wird eine schöne Runde. Das Kompetenzzentrum wird ins Englische mit Center of Excellence übersetzt und ich freue mich, als Fellow und Kreativpilotin mit am Tisch zu sitzen und etwas beitragen zu können.

Dann geht es schnell in die Kantine. Die Gespräche mit meinen neuen Kollegen sind voller Energie und Verbundenheit. Sie unterstützen mich, haben Ideen und binden mich voll ein.

Und es geht wieder weiter. Der neue Leiter will sein Referat 5 kennen lernen. Ich habe kurz Zeit, um Rücksprachen mit meinem Amt für unlösbare Aufgaben zu halten. Und schon das nächste Meeting, bei dem alle Referatsleiter zusammen kommen und ich vorgestellt werden soll.

Die interne Sprache klingt wie lustige Roboter, die sich unterhalten.

A4B5 jetzt 6A3. Heute - Als kmg und co haben Sie viele Jahre gewirkt.

Fischer jetzt 6B3

Referat 6C4 kommt aus dem Urlaub zurück.

Im Oval sitzen:

17 Männer. Alle im Anzug. Fast alle mit Krawatte. Farbpalette von blau bis grau.

3 Frauen. Beige, Rosa und Lachsfarben.

Und in Live-Schaltung drei Menschen aus Bonn.

Danach nochmal kurz Rücksprache mit Michael.

Und:

Wird Frau Zypries trotz gebrochenem Arm morgen beim 50. Wirtschaftsfilmpreis sprechen können?

Fast hätte ich meinen Laufzettel Task vergessen und rufe im Amt für Zugangskontrolle an. „Tut mir leid, ich habe gerade alles runtergefahren.“ Mist, jetzt muss ich morgen im Spiel gegen den Pförtner von Tor 3 wieder im Level 0 beginnen.

Dann geht es los zum FASHION Award FASH im Bode-Museum.

Erster Abendtermin gemeinsam mit Karsten Kuchenbecker.

Wein, Gespräche, Mode, Wein, Sonnenuntergang und geltungsbedürftigen Menschen zuhören. Das kann ich alles. Das ist kein Problem. Und morgen Filmpreis. Ähnliches Spiel. Meine Welt.

An Langeweile ist gar nicht zu denken.

Mein erster Tag war wunderschön und das Gefühl der familiären Verbundenheit durch die Kreativwirtschaft ist sehr groß. Ich nenne das Referat jetzt liebevoll Team 5 und freue mich, für kurze Zeit Nr. 6 zu sein.

Das Amt ist in Heidelberg gelandet

Das Amt ist in Heidelberg gelandet

Das Amt für unlösbare Aufgaben ist nun offiziell in Heidelberg angekommen!

Dadurch haben wir nicht nur die sehr romantische Kulisse von Schloss und Alter Brücke gewonnen, sondern vor allem die Unterstützung einer ungewöhnlich engagierten, fortschrittlichen und pragmatischen Behörde: Das OB-Referat der Stadt Heidelberg steht voll hinter unserem Projekt und unterstützt uns schon jetzt wirklich großartig! Wir bekommen u.a. Kontakt zu allen nötigen Ämtern und Behörden, um unsere Ergebnisse im Verlauf der kommenden Monate immer wieder spiegeln und besprechen zu können. Schließlich wollen wir nicht gegen, sondern mit den Behörden arbeiten.

Auch bei der Gestaltung des Learning Journey unterstützt uns die Stadt und lädt in ihrem Namen Presse und Gesprächteilnehmer*innen ein. Es ist zwar noch etwas früh zu erfahren, was wir am 18.07. konkret vorhaben, aber auch dieser Tag nimmt so langsam Gestalt an.

Was sonst noch passiert ist? Hier eine kurze Zusammenfassung:

Bei Facebook haben wir nach typischen Sprüchen gefragt, die man mit Bürokratie und Verwaltungen in Verbindung bringt. Das Feedback war außergewöhnlich hoch und die besten Sprüche gehen nun als Sticker in Druck, die wir bei unterschiedlichen Gelegenheiten verteilen möchten

Andrea und Julia haben einen Befragungsleitfaden für Expertengespräche entwickelt. Die ersten Gespräche haben bereits stattgefunden.

Leonie hat heute ihr Praktikum im BMWi begonnen. Hierüber berichtet sie dann im nächsten Logbuchbeitrag. 

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