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Beschreibung

Welche Ansätze hat die Kultur- und Kreativwirtschaft für die Entwicklung von Regionen? Mit welchen Geschäftsmodellen und Ideen kann die Kultur- und Kreativwirtschaft die Attraktivität des ländlichen Raumes steigern?

Mit welchen Ansätzen funktioniert Kultur- und Kreativwirtschaft als Motor für die Entwicklung von ländlichen Regionen? Mit welchen Ideen und Geschäftsmodellen kann die Kultur- und Kreativwirtschaft die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit dieser Räume steigern? Wie können fruchtbare Milieus für kultur- und kreativwirtschaftliche Aktivitäten auf dem Land angestiftet und entwickelt werden – und welche Narrative braucht es, um interessante Akteur_innen zu gewinnen und in den lokalen Zusammenhängen einzubinden?

Das creativeALPSlab setzt bei diesen Fragestellungen an und identifiziert, vernetzt, begleitet und analysiert entsprechende Initiativen in den Berggebieten Deutschlands, der Schweiz und Österreichs. Ziel ist es, am Beispiel des Alpenraums neue kultur- und kreativwirtsschaftlich induzierte Modelle und zukunftsorientierte Konzepte für Lebens- und Wirtschaftsformen außerhalb urbaner Zentren zu erproben und deren Potentiale auszuloten.

 Ort: Ramsau, berg_kulturbüro

Team

Matthias Leitner

Matthias Leitner ist Autor, Regisseur und Digital Storyteller. Zudem ist er Mitbegründer des Journalistenkollektives Affe im Kopf. Für den Bayerischen Rundfunk leitet er das Storytelling Lab story : first und bei BR Next entwickelt er als Projekt- und Ideenmanager Programminnovationen.

Dr. Jens Badura

Jens Badura ist Kulturphilosoph, Betreiber des berg_kulturbüro in Ramsau bei Berchtesgaden, Leiter des creativealps_lab an der Zürcher Hochschule der Künste - wo er auch eine Dozentur für Ästhetische Theoriepraxis innehat - und Bergwanderführer. Er initiiert und kuratiert Projekte im Bereich kultureller Nachhaltigkeit & Wertschöpfung in Berggebieten und forscht in transdisziplinären Kontexten im Zwischenraum von Kunst, Wissenschaft, Kulturbetrieb und Regionalentwicklung. Weitere Informationen: www.bergkulturbuero.org & www.zhdk.ch/creativealpslab

Hinter den Fassaden - creativeALPS zu Gast in Zürich

Hinter den Fassaden - creativeALPS zu Gast in Zürich

Der Workshop „Kultur- und Kreativwirtschaft im Alpenraum“, der im Rahmen eines Kooperationsprojekts der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und der Phase XI des Deutschen Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft veranstaltet wurde, widmete sich der Frage, wie Wirkungsdynamiken kultur- und kreativwirtschaftlicher Aktivitäten in Berggebieten gefasst und analysiert werden können. 

Das Projektteam, Studierende des Masters Transdisziplinarität der ZHdK und verschiedene Gäste setzten sich während zwei Tagen intensiv damit auseinander, ob und wie Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft auf eine ökonomische Dynamisierung des Alpenraums im erweiterten Verständnis Einfluss nehmen und wie Kulturinitiativen im Alpenraum langfristig wertschöpfende Wirkung entfalten können. Auch die Frage, welchen Beitrag Kultur- und Kreativwirtschaft dazu leisten kann, Klischees, alteingesessene Wahrnehmungen und Erwartungshaltungen dem alpinen ländlichen Raum gegenüber zu durchbrechen, wurde diskutiert.

 Konkrete Einblicke in zwei langjährig bestehende Kulturinitiativen – das von Hans Schmid in Lavin geführte Hotel Piz Linard (http://www.pizlinard.ch) und das von Giovanni Netzer in Riom gegründete Origen Festival Cultural (http://www.origen.ch/) – sowie in das Forschungsprojekt «Creative Economies“, das Christoph Weckerle von der ZHdK vorstellte (http://www.creativeeconomies.c...) bildeten für die Teilnehmenden die Grundlage für Diskussionen und Reflexion.

Explizit hervorgehoben wurde aus allen Perspektiven die Wichtigkeit der sorgfältigen Verankerung kultur- und kreativwirtschaftlicher Projekt und deren Initiatoren vor Ort. Die Stichworte in diesem Zusammenhang lauteten «Co-Creation» und «regionaler Netzwerkaufbau». Einig war man darin, dass die Frage der Skalierung von Aktivitäten und entsprechend der Umgang mit bestehenden politisch-sozialen Strukturen vor Ort viel Fingerspitzengefühl abverlangen. Zugleich aber wurde auch das hohe Potential des «Nicht-Vorhandenseins» von Standards angesprochen, die Akteuren gegenüber den oft stark reglementierten urbanen Kontexten gedanklichen und praktischen Freiraum bieten und damit gerade für kreative Branchen Perspektiven öffnen. Damit kann weit mehr als blosse «Fassadenrenovation» in Gang kommen und ein entsprechend positiver Einfluss auf die soziokulturelle und ökonomische Dynamik in den entsprechenden Regionen entstehen.

Einen zweiten Diskussionsschwerpunkt bildeten die vielschichtigen Verhältnisse des urbanen zum ländlichen Raum, vor allem in Bezug auf die Gefahr einer kulturellen Romantisierung auf der Basis von wohlorchestrierten Klischeebildern. Kontroverse Schlagworte wie «New Highlander», «Wellness-Kultur», «Urban Crisis», «Creative Tourism», «Umwegrentabilität», «Rural Braindrain» oder die «Naturpark-Falle» wurden verhandelt, aber auch auf die konkret erfahrbare Rolle der Architektur im Spannungsfeld von Tradition und zeitgenössischer Formensprache und damit verbundene oftmals sehr unterschiedliche Referenzenwerte und Erwartungshaltungen in Bezug auf Authentizität und ästhetische Sensibilität verwiesen.

Als Fazit des Workshops lässt sich sagen: Das Potential für eine nachhaltige Standortentwicklung, das Kreativschaffende verschiedenster Disziplinen im Alpenraum einbringen können, ist definitiv hoch. Insbesondere auch im Hinblick auf die Mobilisierung transdisziplinärer Denk- und Verfahrensweisen, die ästhetische Strategien nutzen, sich räumliche Qualitäten in neuen Weisen aneignen und so innovative Erfahrungs- und Handlungsmöglichkeiten eröffnen, bieten sich mit der Kultur- und Kreativwirtschaft große Chancen zur Schaffung motivierender Zukunftsszenarien für den Alpenraum.

Die Berge & der Babelfisch

Die Berge & der Babelfisch

Die Erfahrungen der letzten Wochen mit Projektinitiativen des creativeALPSlab haben gezeigt: die große Herausforderung für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Berggebieten liegt in der Übersetzung:

Übersetzung von Begriffen, Konzepten, Habitusformen, Arbeitsweisen. Was in der Stadt geht, geht nicht ohne weiteres auch im Bergdorf. Aber: was Stadt und (Berg)Land dabei jeweils ausmacht, ist keineswegs so klar, wie uns die gängigen Bilder im Kopf das Glauben machen. Auch in Bergregionen wird „urban“ gedacht und gelebt, nicht nur in dem allgemeinen Sinne, dass medial vermittelte Gleichzeitigkeit (mit allem, was da an Vorstellungen und Phantasien dranhängt) im globalen Maßstab auch im abgelegenen Alpenraumzonen alltäglich ist und die Welt nicht am Ausgang des Tals endet. 

Aber hier gilt es nun auch, genauer hinzuschauen auf die Regionen, in denen Kultur- und Kreativwirtschaft „alpin“ werden könnte – und zu schauen, welche Anschlussmöglichkeiten und Übersetzungserfordernisse und Potentiale es da gibt bzw. braucht. Das soll nun in Folge versucht werden – mittels einer provisorischen Typologie, die zugleich Hintergrund dessen ist, was a künftigen Aktivitäten des creativealps_lab ansteht. Aus der bisherigen Arbeit heraus lassen sich heuristisch zugespitzt drei Typen von Bergregionen charakterisieren, die in jeweils spezifischer Weise Rahmenbedingungen für kultur- und kreativwirtschaftliche Engagements bieten:

1) Bergregionen in der Nähe von ökonomisch starken Gebieten – nennen wir sie periurbane Bergregionen– wie etwa im Einzugsbereich des Rheintals, die in einer engen sozioökonomischen Verbindung miteinander stehen: hier findet das berufliche Leben zumindest eines Teils der Dorfbewohner im nichtdörflichen Umfeld statt, was Rückwirkungen auf die Resonanz der regionalen und lokalen Gemeinschaft für Themen aus dem quasistädtischen Umfeld hat; es mischen sich abgestammte lokale Bevölkerung und Zuzügler und zuweilen wird ein Motto wie „Wohnen, wo andere Ferien machen“ zur Markierung solcher Dorfstrukturen gewählt. Diese Regionen sind zwar meist gut angebunden und nahe an ökonomisch prosperierenden Zonen, allerdings meist auch nicht billig – was für kultur- und kreativwirtschaftliche Aktivitäten, die auf mehrheimischen Lebensformen basieren, durchaus ein bedenklicher Faktor sein kann. Aber – solche Regionen sind jedenfalls nicht völlig unmusikalisch für urbane Denkstile, was sie wiederum für manche kultur- und kreativwirtschaftliche Akteure interessant machen kann. 

2) Bergregionen in entwickelten Tourismusdestinationen – nennen wir sie temporär-urbane Regionen: Meist durch Saisonbetrieb und einen Hochwinter-Hochsommer-Rhythmus geprägt (und in nicht weniger Fällen sehr ungleich verteilt: also entweder Sommer- oder Winterfokus) gleichen diese teilweise eher temporären „Zwischenstädten“, in denen Elemente des Urbanen und des Dörflichen verwoben sind. Leerstand und Raumnot wechseln ab, die Arbeitskräfte im Tourismus sind wie die Gäste meist nur Teilzeiteinwohner, die nomadisch leben und geografisch den saisonalen Konjunkturen folgen – auch das prägt die Atmosphäre vor Ort in eigenwilliger Weise: eine Vielzahl soziokultureller Versatzstücke kommen in dynamische Mischungsverhältnisse – was ja landläufig als ein zentrales Kriterium des urbanen Lebens gesetzt ist. Entwickelte Tourismusregionen sind zudem Teil eines global agierenden Wirtschaftszweigs, der nach ebenso globalen Regeln funktioniert und das regionale und lokale Leben entsprechend „global“ prägt: es geht um Destinationsmanagement und die Bildung von Marken effizienter Ambientedienstleistung. Dörfliche Identitätsverhandlung wird dabei oft als Markenprozess gemäss des internationalen „state oft he art“ betrieben – mit dem Effekt, dass die Grenze zwischen Selbstbild und Fremdbild verschwimmen bzw. das Selbstbild aus den vorgestellten Fremdbildern ge-bildet wird – ein Phänomen, das nicht berggebietsspezifisch ist, aber auch hier Folgen für das Gemeinwesen zeitigt. Ein weiterer Faktor: Die Gäste erwarten zumindest Teile eines Angebots, das man „urban“ nennen kann – und finden unter dem wörtlichen Label „urban alpine“ nicht nur in Trenddestinationen in den Bereichen Architektur, Kulinarik, Fashion, technische Infrastruktur und sonstigen Konsumoptionen ein Angebot, das sich außer der landschaftlichen Kulisse nur in einem fundamental unterscheidbar ist von dem, was die zeitgenössische Stadt bietet: der Saisonalität. Urban von Weihnachten bis Ostern, dörflich von Ostern bis Juni, urban von Juli bis September, dörflich von Oktober bis Weihnachten, wobei sich beide Dimensionen natürlich fortwährend durchdringen und überlagern bzw. je nach Destinationstyp eben auf eine der Saisonen fokussiert bleiben. Aus der Warte der Kultur- und Kreativwirtschaft heißt dies, dass die Bedeutung dieser Saisonalität für das jeweilige Lebens- und Geschäftsmodell zu berücksichtigen ist – denn es ist de facto eine sehr spezielle Art der „Bergdörflichkeit“, die in solchem temporär-urbanen Regionen zu finden ist. 

3) Ein dritter Typus wären jene Bergregionen, die man klassischerweise als strukturschwach bezeichnet und wo der Kreislauf aus fehlenden ökonomischen Perspektiven, negativer demographischer Entwicklung und fehlenden infrastrukturellen Entwicklungsimpulsen zu einem soziokulturellen Phlegma geführt hat. Eine Folge ist, dass der Austausch mit urbanen Regionen kaum (mehr) ausgeprägt ist und die Zeichen – im wörtlichen wie übertragenen Sinne – auf Schwund und Verfall stehen. Zugleich stellen gerade diese non-urbanen Berggebiete nicht selten nachgerade ideale Kulissen für die scheinbarer Bestätigung klischierter Vorstellungen vom vermeintlich „einfachen“ und „authentischen“ Leben dar, die allerdings mehr über den imaginären Horizont jener aussagen, die so reden als über das, was in solchen Orten geschieht. Aber – und für kultur- und kreativwirtschaftliche Dynamiken nicht uninteressant: unter der Überschrift „new highlanders“ sind auch solche Gebiete seit einiger Zeit zunehmend ein potentieller Raum für neue Lebensformen, die in spezifischer Weise auf einer Kultur der Kreativität fußen – allerdings einer, die sich entweder relevant vom urbanen Kontext lösen oder aber vergleichsweise komplexe logistische Herausforderungen zu bewältigen hat. Und obwohl es eine Frage der Zeit sein dürfte: das Narrativ des digitalen Nomaden stößt in nicht wenigen Berggebieten schnell an technische Grenzen, da die Netzverfügbarkeit im Alpenraum keineswegs flächendeckend so ausgebaut ist, wie es viele Kultur- und Kreativschaffende gewohnt sind und benötigen.

Diese Typologie ist natürlich hoch schematisch – aber hier geht es vor allem darum, einen zentralen Punkt zu verdeutlichen: es gibt nicht die einfache Übersetzung urbaner kultur- und kreativwirtschaftlicher Strategien in bergdörfliche Zusammenhänge. Vielmehr ist jeweils zu fragen, in welchem Resonanzraum man operiert und mit wem welche Themen verhandelt bzw. Initiativen gestartet werden können – und welche Art von Kommunikation dazu dienlich ist. Mit der Erwartungshaltung zu starten, dass man nun den Landeiern Entwicklungshilfe andienen müsse ist dabei nur der offensichtlichste aller möglichen Fehler. Es braucht eine Einlassung auf die spezifische Situation vor Ort bzw. auf die jeweils etablierte Kultur der Urbanität, auf die hin die etablierten Narrative der Kultur-  und Kreativwirtschaft immer noch gestimmt sind. Und es braucht ggf. eher neue Narrative – wie das oben skizzierte einer montanurbanen Lebensform – als paternalistisch Nachhilfe für die ansässige Bevölkerung dahingehend, dass diese den alten Narrativen folgt. 

Doch auch mit Blick auf infrastrukturelle Fragen ist mit Blick auf Berggebiete Differenzierung angesagt und zuweilen komplexer zu bewerkstelligen als im urbanen Zusammenhang - und was das konkret heisst wird u.a. im Rahmen des am 8.-9.11. an Zürcher Hochschule der Künste stattfindenden Workshop "Kultur- und Kreativwirtschaftschaft im Alpenraum - Beispiele, Methoden, Analysen“ diskutiert werden - und das creativeALPSlab auch zukünftig beschäftigen: auch der blog bleibt dran.

Die Alpen auf einen Blick

Die Alpen auf einen Blick

Die Alpen sind ein hochkomplexer Lebensraum. Der Alpendiskurs ist vielschichtig und voller Widersprüche. Alpenklischees greifen zu kurz. Von Wegen! 

Wir haben alles zum Thema Alpen einmal in ein Wimmelbild gepackt. Darüber lässt sich dann trefflich diskutieren. 

Bergmapping

Bergmapping

Nachdenken über die Alpen, entwickeln in einem offenen Prozess..

..das creativeALPSlab hat mit der Kartographie begonnen. Das Graphic Recording von Max Bachmeier gibt Hinweise auf unseren weiteren Weg.

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