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Die Berge & der Babelfisch

Die Berge & der Babelfisch

Die Erfahrungen der letzten Wochen mit Projektinitiativen des creativeALPSlab haben gezeigt: die große Herausforderung für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Berggebieten liegt in der Übersetzung:

Übersetzung von Begriffen, Konzepten, Habitusformen, Arbeitsweisen. Was in der Stadt geht, geht nicht ohne weiteres auch im Bergdorf. Aber: was Stadt und (Berg)Land dabei jeweils ausmacht, ist keineswegs so klar, wie uns die gängigen Bilder im Kopf das Glauben machen. Auch in Bergregionen wird „urban“ gedacht und gelebt, nicht nur in dem allgemeinen Sinne, dass medial vermittelte Gleichzeitigkeit (mit allem, was da an Vorstellungen und Phantasien dranhängt) im globalen Maßstab auch im abgelegenen Alpenraumzonen alltäglich ist und die Welt nicht am Ausgang des Tals endet. 

Aber hier gilt es nun auch, genauer hinzuschauen auf die Regionen, in denen Kultur- und Kreativwirtschaft „alpin“ werden könnte – und zu schauen, welche Anschlussmöglichkeiten und Übersetzungserfordernisse und Potentiale es da gibt bzw. braucht. Das soll nun in Folge versucht werden – mittels einer provisorischen Typologie, die zugleich Hintergrund dessen ist, was a künftigen Aktivitäten des creativealps_lab ansteht. Aus der bisherigen Arbeit heraus lassen sich heuristisch zugespitzt drei Typen von Bergregionen charakterisieren, die in jeweils spezifischer Weise Rahmenbedingungen für kultur- und kreativwirtschaftliche Engagements bieten:

1) Bergregionen in der Nähe von ökonomisch starken Gebieten – nennen wir sie periurbane Bergregionen– wie etwa im Einzugsbereich des Rheintals, die in einer engen sozioökonomischen Verbindung miteinander stehen: hier findet das berufliche Leben zumindest eines Teils der Dorfbewohner im nichtdörflichen Umfeld statt, was Rückwirkungen auf die Resonanz der regionalen und lokalen Gemeinschaft für Themen aus dem quasistädtischen Umfeld hat; es mischen sich abgestammte lokale Bevölkerung und Zuzügler und zuweilen wird ein Motto wie „Wohnen, wo andere Ferien machen“ zur Markierung solcher Dorfstrukturen gewählt. Diese Regionen sind zwar meist gut angebunden und nahe an ökonomisch prosperierenden Zonen, allerdings meist auch nicht billig – was für kultur- und kreativwirtschaftliche Aktivitäten, die auf mehrheimischen Lebensformen basieren, durchaus ein bedenklicher Faktor sein kann. Aber – solche Regionen sind jedenfalls nicht völlig unmusikalisch für urbane Denkstile, was sie wiederum für manche kultur- und kreativwirtschaftliche Akteure interessant machen kann. 

2) Bergregionen in entwickelten Tourismusdestinationen – nennen wir sie temporär-urbane Regionen: Meist durch Saisonbetrieb und einen Hochwinter-Hochsommer-Rhythmus geprägt (und in nicht weniger Fällen sehr ungleich verteilt: also entweder Sommer- oder Winterfokus) gleichen diese teilweise eher temporären „Zwischenstädten“, in denen Elemente des Urbanen und des Dörflichen verwoben sind. Leerstand und Raumnot wechseln ab, die Arbeitskräfte im Tourismus sind wie die Gäste meist nur Teilzeiteinwohner, die nomadisch leben und geografisch den saisonalen Konjunkturen folgen – auch das prägt die Atmosphäre vor Ort in eigenwilliger Weise: eine Vielzahl soziokultureller Versatzstücke kommen in dynamische Mischungsverhältnisse – was ja landläufig als ein zentrales Kriterium des urbanen Lebens gesetzt ist. Entwickelte Tourismusregionen sind zudem Teil eines global agierenden Wirtschaftszweigs, der nach ebenso globalen Regeln funktioniert und das regionale und lokale Leben entsprechend „global“ prägt: es geht um Destinationsmanagement und die Bildung von Marken effizienter Ambientedienstleistung. Dörfliche Identitätsverhandlung wird dabei oft als Markenprozess gemäss des internationalen „state oft he art“ betrieben – mit dem Effekt, dass die Grenze zwischen Selbstbild und Fremdbild verschwimmen bzw. das Selbstbild aus den vorgestellten Fremdbildern ge-bildet wird – ein Phänomen, das nicht berggebietsspezifisch ist, aber auch hier Folgen für das Gemeinwesen zeitigt. Ein weiterer Faktor: Die Gäste erwarten zumindest Teile eines Angebots, das man „urban“ nennen kann – und finden unter dem wörtlichen Label „urban alpine“ nicht nur in Trenddestinationen in den Bereichen Architektur, Kulinarik, Fashion, technische Infrastruktur und sonstigen Konsumoptionen ein Angebot, das sich außer der landschaftlichen Kulisse nur in einem fundamental unterscheidbar ist von dem, was die zeitgenössische Stadt bietet: der Saisonalität. Urban von Weihnachten bis Ostern, dörflich von Ostern bis Juni, urban von Juli bis September, dörflich von Oktober bis Weihnachten, wobei sich beide Dimensionen natürlich fortwährend durchdringen und überlagern bzw. je nach Destinationstyp eben auf eine der Saisonen fokussiert bleiben. Aus der Warte der Kultur- und Kreativwirtschaft heißt dies, dass die Bedeutung dieser Saisonalität für das jeweilige Lebens- und Geschäftsmodell zu berücksichtigen ist – denn es ist de facto eine sehr spezielle Art der „Bergdörflichkeit“, die in solchem temporär-urbanen Regionen zu finden ist. 

3) Ein dritter Typus wären jene Bergregionen, die man klassischerweise als strukturschwach bezeichnet und wo der Kreislauf aus fehlenden ökonomischen Perspektiven, negativer demographischer Entwicklung und fehlenden infrastrukturellen Entwicklungsimpulsen zu einem soziokulturellen Phlegma geführt hat. Eine Folge ist, dass der Austausch mit urbanen Regionen kaum (mehr) ausgeprägt ist und die Zeichen – im wörtlichen wie übertragenen Sinne – auf Schwund und Verfall stehen. Zugleich stellen gerade diese non-urbanen Berggebiete nicht selten nachgerade ideale Kulissen für die scheinbarer Bestätigung klischierter Vorstellungen vom vermeintlich „einfachen“ und „authentischen“ Leben dar, die allerdings mehr über den imaginären Horizont jener aussagen, die so reden als über das, was in solchen Orten geschieht. Aber – und für kultur- und kreativwirtschaftliche Dynamiken nicht uninteressant: unter der Überschrift „new highlanders“ sind auch solche Gebiete seit einiger Zeit zunehmend ein potentieller Raum für neue Lebensformen, die in spezifischer Weise auf einer Kultur der Kreativität fußen – allerdings einer, die sich entweder relevant vom urbanen Kontext lösen oder aber vergleichsweise komplexe logistische Herausforderungen zu bewältigen hat. Und obwohl es eine Frage der Zeit sein dürfte: das Narrativ des digitalen Nomaden stößt in nicht wenigen Berggebieten schnell an technische Grenzen, da die Netzverfügbarkeit im Alpenraum keineswegs flächendeckend so ausgebaut ist, wie es viele Kultur- und Kreativschaffende gewohnt sind und benötigen.

Diese Typologie ist natürlich hoch schematisch – aber hier geht es vor allem darum, einen zentralen Punkt zu verdeutlichen: es gibt nicht die einfache Übersetzung urbaner kultur- und kreativwirtschaftlicher Strategien in bergdörfliche Zusammenhänge. Vielmehr ist jeweils zu fragen, in welchem Resonanzraum man operiert und mit wem welche Themen verhandelt bzw. Initiativen gestartet werden können – und welche Art von Kommunikation dazu dienlich ist. Mit der Erwartungshaltung zu starten, dass man nun den Landeiern Entwicklungshilfe andienen müsse ist dabei nur der offensichtlichste aller möglichen Fehler. Es braucht eine Einlassung auf die spezifische Situation vor Ort bzw. auf die jeweils etablierte Kultur der Urbanität, auf die hin die etablierten Narrative der Kultur-  und Kreativwirtschaft immer noch gestimmt sind. Und es braucht ggf. eher neue Narrative – wie das oben skizzierte einer montanurbanen Lebensform – als paternalistisch Nachhilfe für die ansässige Bevölkerung dahingehend, dass diese den alten Narrativen folgt. 

Doch auch mit Blick auf infrastrukturelle Fragen ist mit Blick auf Berggebiete Differenzierung angesagt und zuweilen komplexer zu bewerkstelligen als im urbanen Zusammenhang - und was das konkret heisst wird u.a. im Rahmen des am 8.-9.11. an Zürcher Hochschule der Künste stattfindenden Workshop "Kultur- und Kreativwirtschaftschaft im Alpenraum - Beispiele, Methoden, Analysen“ diskutiert werden - und das creativeALPSlab auch zukünftig beschäftigen: auch der blog bleibt dran.

Autonomes Fahren: Eine Pionierfahrt des Denkens

Autonomes Fahren: Eine Pionierfahrt des Denkens

"Ein Auto sollte wertschätzen, wenn sich jemand an Verkehrsregeln hält."

Ein Gespräch mit dem Philosophen und Informatiker Markus Ahlers über selbstfahrende Autos und ethische Fragen.

Frage: Welche ethischen Positionen werden beim autonomen Fahren diskutiert?

Ort: 52° 23′ 37, 3″ N, 9° 43′ 5, 2″ O, irgendwo in Uni-Nähe, Hannover

Datum: 31. Oktober 2017, 14:30 Uhr

Wie autonom sind autonome Fahrzeuge aus Deiner Sicht? 

Roboter und auch autonom fahrende Autos werden, so ist meine Vermutung, bereits jetzt als autonome Wesen von Leuten, die nicht technik-ausgebildet sind, wahrgenommen. Kaum jemand kennt den Progammcode, der in einem autonomen Fahrzeug steckt. Es wirkt quasi, als ob es autonom wäre. Streng philosophisch ist es allerdings nicht autonom. Dafür muss man nicht mal Kant heranziehen, der einen sehr strengen Autonomiebegriff hat. Es gibt keine Vernunft, kein Reflektionsvermögen in der Maschine. Maschinen oder Roboter werden in soziale Systeme eingeführt und dort von den Menschen als autonom agierende Wesen wahrgenommen. Und das wiederum ändert soziale Systeme, insbesondere die Erwartungshaltungen und Vereinbarungsverhältnisse, die darin wirksam sind.  

Inwiefern verändern sich die Vereinbarungsverhältnisse?  

Meiner Ansicht nach lebt das Verkehrssystem wesentlich davon, dass alle sich an Verkehrsregeln halten. Diese differenzieren zum Beispiel zwischen Bürgersteig und Straße. Die Verkehrsbereiche werden erst dadurch realisiert, dass alle Verkehrsteilnehmenden sich daran halten. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Fußgänger geht auf dem Bürgersteig und ein selbstfahrendes Auto fährt die Straße entlang. Plötzlich betritt eine Menschengruppe die Fahrbahn, sodass eine Kollision durch Bremsen nicht zu vermeiden ist. Das Auto kann nur die Gruppe oder den Fußgänger überfahren. Entscheidet das Auto nur aufgrund der Gruppengröße, wen es überfahren soll, dann würde es den Fußgänger opfern, um die Personengruppe auf der Fahrbahn zu schonen. Das widerrum hat einen Einfluss auf das System. Denn der Fußgänger, der sich an die Verkehrsregeln gehalten hat, verliert dadurch einen Anreiz, sich künftig auch an die Regeln  zu halten. Ignoriert er die Regel folglich, dann wiederum können sich die anderen Verkehrsteilnehmenden nicht mehr auf den Fußgänger verlassen. Wodurch es für diese ebenfalls weniger reizvoll ist, sich an die Regeln zu halten. Die Erwartungshaltungen im Verkehrssystem werden quasi unterminiert, wenn autonome Fahrzeuge so agieren und Regelkonformität ignorieren. Und das wiederum schädigt die Sicherheit im Verkehr, weil diese davon lebt, dass alle sich an diese Verhaltensweisen halten, so dass man immer einigermaßen antizipieren kann, was gleich passiert. Ich erwarte einfach, wenn ich eine grüne Ampel habe, dass ich sicher die Straße überqueren kann, genau weil  ich erwarte, dass alle andern Verkehrsteiknehmer sich an die Verkehrsregeln halten. Der grundlegende Punkt ist, dass Roboter oder autonome Fahrzeuge diese Regeln eben auch beachten müssen. Das macht die Einführung schwierig, weil die Lage so komplex ist. Nicht nur in technischer, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht.  

Aber würden autonome Fahrzeuge nicht dazu beitragen, dass es weniger irrationale Handlungen gibt, mehr Regelkonformität und damit eine bessere Einschätzbarkeit im Straßenverkehr vorliegt? 

Ja, schon. Man vermutet, dass die Verkehrsunfälle drastisch reduziert werden würden. 70 bis 95% der Verkehrsunfälle sind menschenverursacht. Da ist es eine große Motivation, autonome Fahrzeuge einzuführen. Zudem könnte man die Sicherheit damit stärken; nicht zuletzt weil man sich genau darauf verlassen könnte, wie autonome Fahrzeuge agieren – wenn die Technik erst einmal ausgereift ist. Aber ihre Entscheidungen müssen transparent sein. Es geht nicht nur darum, dass aus der Sicht des Autos das Auto richtig gehandelt hat, sondern es geht auch darum, dass die anderen Verkehrsteilnehmenden wissen und einschätzen können, was das Auto machen wird. Oft geht es in der öffentlichen Diskussion um die Frage: „Was soll das Auto in einer Dilemmasituation machen? Ist die Gruppengröße entscheidend? Sollen Kinder eher als Erwachsende geschützt werden?“ Entscheidend ist meiner Ansicht nach aber vor allem, dass die Menschen, die mit den Autos im Straßenverkehr interagieren müssen, wissen, was diese Autos machen werden- sodass die Menschen sich darauf einstellen können.  

Dass Transparenz gegeben ist und klar ist, nach welchen Kriterien autonome Fahrzeuge entscheiden, was sie tun?  

Genau. Dass also ihre scheinbare Autonomie einschätzbar ist.

Sprechen wir über ein moralisches Dilemma. Nach welchen Kriterien könnte ein autonomes Fahrzeug entscheiden?  

Da gibt es verschiedene Positionen. Ziehen wir das mal am Trolley-Problem auf: Eine Straßenbahn hat die Kontrolle verloren, es gibt die Möglichkeit, eine Weiche zu stellen, fünf Leute sterben – oder nur eine Person stirbt. Das Gedankenexperiment ist in der Abtreibungsdebatte entstanden und wurde von Philippa Foot zum ersten Mal formuliert. Man kann an diesem Beispiel gut den Unterschied zwischen dem kantischen kategorischen Imperativ und dem Utilitarismus darstellen. Nach Kant ist es nicht so leicht zu argumentieren, die Weiche zu stellen, sodass die eine Person statt die fünf Leute umgefahren wird. Eine schlechte Handlung ist nach Kant nicht durch eine gute Konsequenz zu rechtfertigen. Beim Utilitarismus, bei dem es ja um Nutzenmaximierung geht, ist es ebenfalls eine ziemlich klare Sache: Die fünf Personen müssen geschützt werden, denn dann wäre das Leid minimal beziehungsweise der Nutzen maximal. Dann gibt es noch die Philosophen, die sagen, dass die moralisch richtige Entscheidung je nach Situation unterschiedlich ist. Intuition kann sich schnell ändern: Wenn es die eine Person ist, die als einziger Mensch Krebs heilen kann und die fünf anderen nicht, dann dreht sich plötzlich das Blatt.  Dann gibt es auch Positionen, die fordern, dass jeder Nutzer und jede Nutzerin der Autos die Entscheidung selbst treffen soll. Dann würde man in einem Programm-Menü selbst auswählen und vorher entscheiden, nach welchen Kriterien das Auto in so einer Dilemmasituation entscheidet.  

Dann würde man erst einmal eine moralische Position bestimmen, bevor man losfährt. Welche Position ist aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll?  

Genau, in dem Fall würde man selbst bestimmen, nach welchen Kriterien das Auto entscheiden sollte. Und aus wirtschaftlicher Sicht muss sich ein selbstfahrendes Autos vor allem auf dem freien Markt beweisen. Dass der Nutzer oder die Nutzerin des autonomen Fahrzeugs umkommt, ist keine Option. Da keine Person so ein Auto kaufen würde.    

Welche Position vertrittst du?  

Ich suche noch nach ihr. Aber ich denke vor allem, dass die Verkehrsregeln eingehalten werden sollten und das danach geschaut werden soll, dass das Auto in einer moralischen Dilemmasituation quasi wertschätzt, wenn andere die Verkehrsregeln einhalten. Es ist nicht unwichtig, wer für die Dilemmasituation verantwortlich ist. Wenn fünf betrunkene Menschen einfach auf die Straße rennen und eine Person auf dem Fußweg ist, sollte das Fahrzeug sicherlich nicht die vernünftige Person auf dem Bürgersteig opfern - die Intuition ist recht klar.  

Nach welchen moralischen Kriterien werden autonome Systeme denn zurzeit von den Unternehmen entwickelt?  

Ich sitze ja nicht in den Unternehmen, und es sind auch meistens Juristen und Juristinnen, mit denen die reden. Da werden auch die ethischen Probleme diskutiert, aber Unternehmen sind, so wie ich es wahrnehme, mehr daran interessiert, eine klare Rechtslage zu haben, weil der Gesetzgeber sie noch nicht geschaffen hat. Es gibt strafrechtlich sowie zivilrechtlich an einigen Stellen noch Klärungsbedarf. Also zivilrechtlich: Was bedeutet es, wenn es technisches Versagen ist? Wer muss die Kosten tragen? Und dann strafrechtlich: Wer ist für den Tod eines Menschen verantwortlich? Wer muss ins Gefängnis? Darüber muss noch geredet werden. Herr Dobrindt hat ja gerade die Ethik-Kommission da gehabt, die haben 30 Seiten zum Thema vorgelegt. Sie haben zum Beispiel darauf hingewiesen, dass Alter, Hautfarbe und Geschlecht keine Rolle spielen dürfen. Das sind jetzt keine überraschenden Thesen, aber die klassischen Grundlagen, die auch irgendwo mal stehen müssen.  

Welche gesellschaftlichen Veränderungen siehst du mit der Einführung dieser Technologie?  

Die Technik selbst wird auf alle Fälle entwickelt und wird kommen, darüber müssen wir nicht mehr diskutieren. In der Debatte im Feuilleton wird oft die These aufgestellt, dass wir mit der Nutzung selbstfahrender Autos unsere geistige Autonomie verlieren könnten. Daran glaube ich nicht. Woran viele zum Beispiel nicht denken: Menschen, die nicht Auto fahren können, sind mobiler, nicht mehr auf andere angewiesen. Die Technik könnte ihnen also gerade das Gefühl der Autonomie geben. Und aus der Notwendigkeit zu reflektieren kommen wir ohnehin nicht raus. Ich sehe keine genuine Gefahr von Robotern oder autonomen Systemen. Autopiloten gibt es bei Flugzeugen ja zum Beispiel schon lange, aber ihnen wird nicht blind vertraut. Ihre Risiken werden reflektiert und man kann mit ihnen umgehen. Wenn das bei autonomen Fahrzeugen ähnlich verläuft, ist die Reflektion und Korrektur der autonomen Systeme gegeben. Man sollte die Gesellschaft nicht so unterschätzen. Es ist eine neue Kulturtechnik, die wir kennenlernen müssen. Da gibt es Gefahren und auch Risiken. Aber solange wir sie reflektieren und Regeln für ihre Anwendung finden, werden wir der Gefahr meiner Meinung nach souverän begegnen können.  

Herzlichen Dank für das Gespräch!

TrafficMatch: Eine Pionierfahrt an der Ampel

TrafficMatch: Eine Pionierfahrt an der Ampel

Es war ein ganz normaler Montag, Menschen warteten an einer Ampel. Wir haben mit ihnen gespielt.

Frage: Welchen Beitrag können Spiele an Ampeln zur Mobilität der Zukunft leisten?

Ort: 52°9′38″N, 9°57′14″O, Hildesheim

Datum: 30. Oktober 2017, 14:30 Uhr

Wartenden an Ampeln ist langweilig. Deshalb gehen sie bei Rot über die Straße, bringen so sich selbst und andere in Gefahr. Städte werden zudem immer funktionaler, Menschen bewegen sich von A nach B, ohne miteinander in Kontakt zu kommen, es ist anonym geworden.

Zeit für eine nächste Pionierfahrt der Mobilauten.

Es soll sich kenngelernt werden.

Mit übergroßen Spielkarten unter dem Arm und in Mobilauten-Montur ging es an einem sonnigen Montag an eine Ampel in Hildesheim. In zwei Teams aufgeteilt wurden Vorbeikommende angesprochen und als Mitspieler*innen gewonnen. Sobald die Ampel auf Rot sprang, ging es los: Um das Eis zu brechen, wurden spielerisch Gemeinsamkeiten mit Hilfe der Spielkarten gesucht und das Ergebnis über die Straße hinweg miteinander kommuniziert.

Trinkst du lieber Tee oder Kaffee? Machst du Sport oder bist du mehr der Couch-Potatoe? Kochst du gerne?

Gab es die gleiche Antwort auf beiden Seiten, kam es zu einem Match.

Es wurden kleine Karten herausgegeben, die dazu aufriefen, miteinander Kaffee (oder Tee) zu trinken, Sport zu machen oder zusammen auf dem Sofa zu sitzen - je nach gemeinsamer persönlicher Vorliebe. Es wurde grün, die Spieler*innen trafen sich in der Mitte, tauschten Grüße, Nachrichten - und ehrlich: sogar Telefonnummern aus.

Learning: Menschen an Ampeln finden es ganz seltsam, in ein Gespräch verwickelt zu werden. Aber eigentlich sind sie  aufgeschlossen. Es wäre gut, eine Möglichkeit zur spielerischen Interaktion zu haben, die subtiler anspricht, einfach da ist.

Vielleicht einen Ampeltaster, auf dem man spielen kann ...

Storytelling: Eine Pionierfahrt zur Schule

Storytelling: Eine Pionierfahrt zur Schule

Die Mobilauten unterstüzen den Kampf gegen die Elterntaxis vor Grundschulen. Unsere Pionierin für diese Herausforderung: Maya, 9 Jahre alt. Sie geht in die dritte Klasse. (Fast) jeden Morgen.

Frage: Wie kann man Kinder motivieren, zu Fuß zur Schule zu gehen?

Ort: 52°23′ 37, 3″N, 9°43′ 5, 2″O, Nordstadt, Hannover

Datum: 27. Oktober 2017, 7:40 Uhr

Morgens vor einer durchschnittlichen Schule in einer durchschnittlichen Stadt: Eine Armada von Privat-PKWs drängelt sich am und auf dem Bürgersteig, Kinder springen aus den Autos, flitzen zwischen den Fahrzeugen zum Eingang. Es ist eng, es ist unübersichtlich, es ist unsicher. Es stinkt. Es ist laut. Und: Es würde anders gehen.

Wieso kommen die Kinder nicht zu Fuß? Haben sie zu lange Wege? Sind ihre Eltern zu ängstlich? Ist die öffentliche Anbindung zu schlecht? Kommen sie einfach mit dem Auto, weil alle mit dem Auto kommen?

Sollten vielleicht lieber die Kinder selbst entscheiden, wie sie zur Schule kommen möchten?

Wir wollen die Laufstrecke des Fußbusses, bzw. der Fußweg-Schulstrecke durch Ansprache der Kinder, nicht länger durch die Ansprache der Eltern, attraktiver gestalten. Unsere Lösung: Ein Spiel für den Schulweg, das zum Laufen reizt und den sozialen Zusammenhalt zwischen den Kindern stärkt - durch gemeinsame Erlebnisse und Rätsel, die als Klasse gelöst werden können. Mit Methodiken aus dem Game Thinking (Quiz/Strategie/Glück) rücken wir dem Problem auf den Leib. Das spielerische Erlebnis und die Bewusstseinsschulung zu mehr Selbstständigkeit, ökologischem Bewusstsein und Sozialverhalten stehen dabei im Fokus.

Unsere Pionierin Maya hat den Erlebnisweg als Erste ausprobiert. Sie ist in der Schule angekommen. Zu Fuß und mit der Lösung von drei Rätseln im Gepäck.

Das Spiel wird angeleitet durch einen Aufgabenblock: 200 Aufgaben nach Tagen sortiert, je Schultag eine. Erzählt sich die Geschichte der fiktiven Stadt Wimmelu. Beginnend mit der Aufgabenstellung durch die Eltern zu Hause, über die Lösung  auf dem Schulweg bis zur Besprechung  mit dem Lehrer oder der Lehrerin wird der Erlebnisweg begleitet.

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