DAS GEHEIMNIS VON HEIDELBERG
So könnte die sympathische Lokal-Soap heißen, in die ich, ohne es zu wissen, geraten bin. Ein junges, cooles und engagiertes Team arbeitet im Rathaus und verkörpert verschiedene Identifikations-Typen für den Zuschauer:
Julia: die junge, schöne und motivierte Frau, die sich um Sonderaufgaben und strategische Projektplanung kümmert
Olli: der genie-artige Tec-Geek, der an Open Government für offene Innovation an gemeinsamen Lösungen mit Bürgerschaft, Wissenschaft und Wirtschaft arbeitet
Uwe: der fröhlich, sarkastische Schwule, der als Freelancer das Team unterstützt.
Sie alle kennen sich, sind modern, engagiert, lachen viel und dem Zuschauer wird langsam klar, dass es noch ein Geheimnis zu lüften gibt, weil alles etwas zu perfekt ist.
Kurzum: mein erster Tag ist also total herzlich. Auf meinem Tisch liegt ein Block, auf dem handschriftlich “Herzlich Willkommen” steht, und schöne Broschüren zu Heidelberg. Man lacht. Kommuniziert über die Türen hinweg. Weiß voneinander Bescheid. Duzt sich. Redet schön und voller netter Worte über die anderen. Man macht sich kreative Geschenke. Julia trägt einen Jute-Beutel, den das Team Olli Rack zum Geburtstag designt haben. Auf dem Beutel steht “Rackete” und ein grafisches Bild von ihm ist abgedruckt.
Plötzlich wird es im Nebenraum lauter.
10.45h Die geheime Rose 1
Für Uwe wurde eine rote Rose von einem unbekannten Verehrer am Empfang im Rathaus abgegeben. Alle machen Witze und Uwe läuft rot an. Er weiß nicht, von wem die Rose ist.
Mittagessen und Mittelmaß
Zum Essen gehen Julia, Olli und ich in einen arabischen Imbiss. Bei Falafel und Tagesgericht unterhalten wir uns über Mittelmaß und wie schwierig es sein kann positiv in der Verwaltung aufzufallen, ohne gleichzeitig bei den Kollegen negativ aufzufallen.
14h Die geheime Rose 2
Eine Kollegin kommt zu uns dazu und sie hat Neuigkeiten: Im Max-Café war ein Tisch auch noch romantisch gedeckt. Langsam hat Uwe Angst, dass es sich um einen Stalker handelt.
Das Mind-Set der Bürokratie
Bei Iced-Cappuccino vom stylischen Stammlokal, bei dem jeder mit High 5 begrüßt wird, stellt Olli die Frage nach dem Mind-Set der Menschen, die in der Bürokratie arbeiten und ob dieses nicht per se Innovation erschwert. Natürlich entscheiden sich nicht die Kreativen, Freigeister und Erfinder für einen Job in der Verwaltung. Es sind Menschen, die Strukturen lieben, Regeln nicht hinterfragen, sondern schätzen, Handlungsanweisungen ernst nehmen und ein großes Sicherheitsbedürfnis haben. All diese Eigenschaften schreien nicht nach Veränderung.
Karriere nach Vorschrift
Immer wieder stolpere ich heute über den Begriff DIENST NACH VORSCHRIFT und google ihn mal - denn in meiner Arbeitswelt und Realität als freischaffende Künstlerin gibt es das nicht. Dabei stoße ich auf einen Artikel auf welt.de:
„Frust im Job ist weit verbreitet: Laut einer repräsentativen Befragung des Gallup Instituts fühlt sich rund jeder fünfte Arbeitnehmer (21 Prozent) seinem Arbeitgeber überhaupt nicht verbunden. Der Großteil (66) macht Dienst nach Vorschrift. Und bloß jeder Achte (13) ist im Job engagiert bei der Sache.“
Die Karriereleitern sind im öffentlichen Dienst zwar vorgesehen, aber es gibt keine Abkürzungen dorthin. Für ein paar Jahre muss man auf einer Stelle bleiben, dann warten, bis etwas frei wird, und selbst wenn diese Stelle inhaltlich A11 bedeutet und du erst A8 bist, wirst du nur eine Gehaltsstufe höher gesetzt. Größere Verantwortung kommt mit Alter und Dienstzeit und selten durch das positive Hervortun durch Ideenkraft und Fleiß. Da zeichnet die Verwaltung ein anachronistisches Bild von sich selbst in unserer Zeit. Während in der freien Wirtschaft Junior-Chefs, Projektleitungen durch Ideengabe und Ergebnisse zählen, hinkt die Verwaltung selbst ihrem Tempo einen Schritt hinterher. Und doch merkt man in Heidelberg nichts davon. Irgendwas macht diese Stadt verdammt richtig.
15.55h Die geheime Rose 3
Zurück im Büro. Die Geschichte löst sich auf. Es handelt sich um einen kleinen aber feinen Rache-Witz von zwei Kolleginnen, über die sich Uwe am Wochenende lustig gemacht hat.
Witze und Wirklichkeit
Zum Abschluss des Tages erzählt noch jeder seinen Lieblings-Beamten-Witz und wir lachen herzlich. Mein Favorit:
Ein Krokodil bricht aus dem Zoo aus. Es versteckt sich in der Verwaltung und lebt dort ganz gut. Jeden Tag frisst es einen Beamten und es fällt nicht weiter auf. Nach zwei Wochen macht es einen Fehler. Wen hat es gefressen?
—> Die Putzfrau
Dann erzählt Julia, dass sogar ihr Neffe denkt, dass man im Rathaus nichts arbeiten muss und er deshalb sein 1-Tages-Schnupperpraktikum dort machen will. Erst lachen wir. Dann wird Julia ernster. Woher kommt sein Wissen? Wie lange werden wir noch ein Klischee in Geschichten reproduzieren, dass die Menschen in der Verwaltung in die Defensive drängt?
Werden wir das Geheimnis um Heidelberg lüften?
In Heidelberg merkt man von dieser Frustration und den Klischees nichts. Alle im Team sind klar ausgerichtet und empfinden ihre Arbeit als spannend und angenehm. Mein größtes Ziel ist es in meiner Zeit hier herauszufinden, warum das so ist. So können wir die Bürokratie retten. Was ist das Geheimnis von Heidelberg???