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Die kulturelle Mondlandung

Die kulturelle Mondlandung

Was geschieht, wenn Wissenschaft, Verwaltung und Kultur- und Kreativwirtschaft kollidieren? Und wer wird den Kampf David gegen Goliath gewinnen? Werden die Windmühlen besiegt und wo enden wir auf der Suche nach dem Passierschein A38?

Als wir am Anfang des Projektes standen, war klar: Wenn wir Bürokratie und seine Wahrnehmung verstehen lernen wollen, werden wir verschiedenste Geschütze auffahren müssen. Wir werden mit Bürgern sprechen, mit Menschen, die in Verwaltungen arbeiten, mit Unternehmern, die für Verwaltungen tätig sind – oder ganz und gar durch Förderungen von ihnen abhängig. Wir möchten erfahren, was bereits besonders gut läuft und an welcher Stelle es den Bruch gibt: Den Bruch zwischen der Arbeit in der Verwaltung und zu den Bürger*innen, ganz gleich in welcher Rolle sie auf Verwaltungen zutreten – als Privatperson oder als Geschäftsmensch. Zeitungs- und Fachartikel bilden mitunter ein ernüchterndes Stimmungsbild ab (hier unsere Top 5 zur Frage: „Warum wird Bürokratie kein Olympia-Gold holen?“):

-    Bürokratie ist aus Sicht von Unternehmensgründern in Deutschland die größte Belastung. (Studie der staatlichen Förderbank KfW, 2017)

-    92 Prozent der deutschen Mittelständler (N=400) stufen die Bürokratiebelastung als hoch bis sehr hoch ein. (TNS Emnid, 2015)

-    „Bürokratie bremst Integration“ heißt es in der Schlussfolgerung der Studie „Städte und Gemeinden in der Flüchtlingspolitik. Welche Probleme gibt es – und wie kann man sie lösen?“ (Stiftung Mercator, 2017)

-    Bürokratie an den Universitäten schadet der Lehre. (Institut für Demoskopie Allensbach, 2017)

-    Viele Ärzte empfinden den bürokratischen Aufwand als große Belastung, manche hält es sogar davon ab, sich selbstständig zu machen. (Ärztemonitor, 2016)

Aber ist es tatsächlich so schlecht um die Bürokratie bestellt, wie es Studien vermitteln? Was sagen denn die Mitarbeitenden in der Verwaltung? Sie sagen: „Ich möchte dazu ermutigen, nicht mutlos der Bürokratie gegenüber zu werden.“ „Ministerien sind einfach so große Tanker, das ist [...] ein Kraftakt.“

Wir graben tiefer und suchen weltweit nach Best-Practice-Beispielen, in denen Kultur- und Kreativwirtschaft dabei unterstützt hat, Probleme neu zu denken. Wir stoßen zum Beispiel in Sydney auf eine Straße, die im Sicherheitskonzept wie ein Musikfestival gedacht wurde, was dazu führte, dass Kriminalitätsraten sanken. Unter der Devise, den öffentlichen Sektor effektiver zu gestalten, sammelte Dänemark während der letzten Jahrzehnte viele nützliche Erfahrungen. 2002 wurde dort im Auftrag der dänischen Regierung das sogenannte „MindLab“ etabliert: Es handelt sich dabei um ein Experimentallabor für freies Denken, für ungewöhnliche Blickwinkel, für verrückte Ideen. „Stolze 130 Projekte stehen auf der MindLab-Erfolgsliste. Das thematische Spektrum ist breit, es reicht vom Klimawandel bis zur Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt und der Verbesserung der Erwerbsunfähigkeitsrente, stets schwingt ein Hauch Idealismus mit“, resümiert DER SPIEGEL 2016.

Wieder einmal stellen wir fest: Es ist nicht schwarz um die Bürokratie bestellt. Nein. Es ist auch kein Kampf gegen Windmühlen. Wir sind David. Deswegen ziehen wir uns in den nächsten Tagen in unsere Höhle zurück, wir sortieren unser gesammeltes Wissen aus Erfolgsgeschichten, aus Geschichten aus dem Leben, aus den Leonies Praktika im BMWi und bei der Stadt Heidelberg. Wir werden Mind Maps basteln, wir werden bündeln, uns werden wieder einmal die Haare zu Berge stehen. Aber die letzten Monate schenken uns Mut, denn wir sind überzeugt, die kulturelle Mondlandung könnte nahen.

Wer kontrolliert den Algorithmus?

Wer kontrolliert den Algorithmus?

Forschungsmobilaut Krüger setzt seine Reise fort und trifft Dr. Peter Burggräf, Oberingenieur an der RWTH Aachen und beteiligt an der Entwicklung des Future Trains. Ein Gespräch über Algorithmen, Gerechtigkeit und den Blick über den Tellerrand gesprengter Filterblasen...

Frage: Wie wird der öffentliche Nah- und Fernverkehr in der Zukunft aussehen?

Ziel: 50°47′N,6°5′O, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, Manfred-Weck-Haus

Datum: 14. August 2017

Aus den Notizen von Jens Eike Krüger

Auf Mission Nummer drei geht es darum, den Blick in die Zukunft einfach zu delegieren. Oder den Fortschritt jemand anderen machen zu lassen. In der stetig nach vorne gerichteten Gesellschaft liegt das eigentliche Potential zur Entspannung ja darin zu wissen, dass es vorangeht – auch wenn man gerade nichts tut.  

Im Buddhismus hat man dieses Konzept in der Gebetsmühle festgehalten. Man dreht an ihr und es wird für einen Gebetet. In Neo-Buddhistischer Extase hat sich in den letzten Monaten der Fidget-Spinner durchgesetzt, an den man die Dynamik des Lebens delegieren kann. Ratsch, Ratsch, das Rad der Zeit dreht sich und man kann selber einen Moment abschalten. Um an dieser Stelle der Forschung anzusetzen, ist Aachen der ideale Standort. Ich habe das Kneipenviertel dort um die Pontstraße immer sehr gemocht, weil es praktisch in den Campus der RWTH Aachen gebaut ist. Und wenn man sich nachts von manch einem frechen Getränk gesteuert in eine Nebenstraße verirrt, sieht man, dass in einem Raum der Unigebäude noch Licht brennt. Es surrt, eine große Maschine läuft, ein Doktorand hält ihr die Bettwache und man weiß: Es geht voran! Man hebt das Wegbier und sagt: „Danke lieber Unbekannter. Auf den Fortschritt!“ und geht (nun etwas entspannter) seines Weges. Aachen ist der größte Fidget-Spinner, den ich kenne.  

Zugegeben etwas abseits des Bermudareiecks erwartet mich Herr Dr. Burggräf, der sich mit mir trifft, um die Kristallkugel anzuwerfen und in die Zukunft der Mobilität zu schauen. Wobei unser Treffpunkt, das Manfred-Weck-Haus, maximal unmagisch ist: Der gesamte Neubau ist um eine Art überdachtes Atrium angelegt. Darin steht eine Menge großer Maschinen und sitzen einige jungen Menschen. Beide scheinen sich miteinander zu beschäftigen.  

Da Herr Dr. Peter Burggräf von der RWTH Aachen als Oberingenieur tituliert wird, erwarte ich einen grauhaarigen Mann in Nadelstreifenanzug. Oder einen kosmischen Superhelden. Burggräf ist nichts von beiden. Er ist jung, vielleicht Anfang vierzig, vier Kinder. Er forscht am Future Train. Also verspreche ich mir von dem Gespräch mit Herrn Dr. Burggräf viel.  

„Die Bahnbranche ist eine relativ statische Branche“ enttäuscht mich Burggräf. „Sowohl auf Seiten der Hersteller als auch auf Seiten der Betreibenden ist da wenig Platz für Innovation. Zum einen weil die Hersteller an den gebauten Bahnen sehr wenig verdienen. Zum anderen weil das System einer Bahn sehr aufwendig zu erhalten ist. Da ist wenig Raum für neue Ideen. Mit dem Projekt Future Train wollen wir erforschen, wie die Bahn der Zukunft aussehen und produziert werden könnte.“  

Notwendig sei das, weil in naher Zukunft selbstfahrende Autos den Markt für den Nah- und Fernverkehr bestimmen würden. Für die Bürger*innen würde sich also die Frage stellen: Warum soll ich einen Zug von Bahnhof zu Bahnhof nehmen, wenn mich ein selbstfahrendes Auto bequemer von Haustür zu Haustür bringt?  

Außerdem werden Züge und Bahnen in der Regel wie vor 30 Jahren produziert. Die Arbeiter*innen schrauben die Wagons aus kleinen Teilen mühsam und zeitaufwendig zusammen: kein Produktionsverfahren für das 21. Jahrhundert.  

Ich persönlich hatte gedacht, dass die Zukunft ganz dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr gehört. Überall Bahnen: Fernbahnen, Schwebebahnen, U-Bahnen, Seilbahnen (man denke an Wuppertal). Aber Burggräf sieht das skeptisch. „Die Technologien für selbstfahrende Autos sind schon da. Der Bahnverkehrt hat heute immer noch das sogenannte Problem der letzten Meile: Ein Ticket von Berlin nach Stuttgart kostet 80 Euro und das Taxi, um in Stuttgart dort hinzukommen, wo ich hinmöchte, dann vielleicht noch mal 30,- Euro. Das steht nicht im Verhältnis.“  

Aber wie kann er aussehen: der Zugverkehr der Zukunft? Auf jeden Fall müsste er dynamischer werden, so Burggräf, und sich an die Kund*innen anpassen. Man geht zum Beispiel an einen Bahnhof. Dort gibt man per App seinen Reisewunsch ab. Dann bekommt man einen speziellen Wagon zugewiesen. Dieser fährt selbstständig auf einer Route, die in Echtzeit berechnet wird und so auf die Reiseziele der Gäste und das Verkehrsaufkommen reagiert.  

Selbstfahrend und autonom scheint er also zu sein, der Verkehr der Zukunft. Dabei stellen sich natürlich einige Fragen. Mir kommt sofort moralische Dilemma mit der alten Dame und dem Kind in den Sinn. Ein Auto wird von einem Algorithmus gesteuert: In einer Extremsituation muss es ausweichen und kann dabei entweder auf eine alte Frau oder ein Kind zusteuern. Wie soll hier gehandelt werden? Erkennt das Fahrzeug den Unterschied zwischen beiden Personen?  

„Diese Frage wird häufig angeführt, ist aber vielleicht nicht die relevanteste“ meint Burggräf. „Denn insgesamt ist die autonome Fahrtechnologie wesentlich sicherer. Die allermeisten Unfälle werden durch persönliche Fahrfehler oder Alkohol am Steuer verursacht. Wenn wir das in Zukunft ausschließen können, dann ist dieses philosophische Beispiel ein schlechter Grund, die Technik nicht einzuführen.“  

Gefahren für die Zukunft der Mobilität sieht Burggräf eher woanders. Denn in der Zukunft wird die Zahl der Reisenden weiter steigen. Das schädigt natürlich das Klima. Für die Zukunft ist daher ein klimaneutraler Verkehr der Schlüssel. Dabei würde in der Gegenwart sogar über elektronisch betriebene Flugzeuge nachgedacht. Aber selbst wenn es gelingt einen klimaneutralen weltweiten Fern- und Nahverkehr einzurichten sind damit immer noch nicht alle Probleme gelöst.  

„Ich bin natürlich kein Soziologe, aber man kann sich vorstellen, dass das in Zukunft Ungleichheiten erzeugt. Wenn die Menschen mit Geld in der Lage sind, die ganze Welt zu bereisen und ärmere Menschen praktisch immer in ihrer Heimatstadt bleiben.“  

Diese Fragen nach Gerechtigkeit stellen sich auch im Zusammenhang mit dem von IT-Unternehmen in Zukunft geleiteten Bahn und Autoverkehr. Werden die Menschen mit Geld dann von ihrem Auto auf eine schnelle Autobahn gelenkt? Müssen Menschen mit weniger Kapital den Stau oder die Landstraße in Kauf nehmen, wenn ein Algorithmus die Fahrtrouten bestimmt? Burggräf sieht hier ein Problem, dass sich für viele Branchen stellt:  

„Da sind wir bei der Frage: Wer kontrolliert den Algorithmus? Eigentlich bräuchten wir Algorithmen, die die Algorithmen kontrollieren. Momentan sind Software-Lösungen zum Beispiel von Unternehmen wie Apple oder Google noch ein nahezu rechtsfreier Raum.“  

Klingt logisch. Aber wo soll hier angesetzt werden? „Man könnte ja mal bei Facebook anfangen. Wie wäre es, wenn man den Algorithmus, der einen Newsfeed generiert, dazu zwingt, zwanzig Prozent der Inhalte von außerhalb der jeweiligen Filterblase zu beziehen?“  

Eigentlich ein guter Vorschlag, denke ich, als ich Herr Burggräf nach einer Stunde verlasse.  

Am Ende haben wir über vieles gesprochen, nicht nur über Züge. Und ein wenig beunruhigt mich der Gedanke an einen komplett ferngesteuerten Verkehr, den wir vermutlich schon bald nutzen werden. Kann ich dann demnächst kein Auto mehr bestellen, weil ich vielleicht meine GEZ-Gebühren nicht bezahlt habe? Oder fährt mich das Auto ungefragt an die GEZ-Zentrale in Köln, wo ich zur Kasse gebeten werde? Schön, dass mir Herr Burggräf, der nicht nur Oberingenieur, sondern auch ein bisschen ein Philosoph ist, einen Blick in die Zukunft gegeben hat.  

Um der eigenen Filterblase zu entkommen und mich ein wenig aus der Schnelligkeit der Stadtzivilisation zu verabschieden, wird meine nächste Mission mich ins Harz führen. Dort will ich Konzepte der Entschleunigung erproben und eine prominente Gestalt suchen, die sich Brocken-Benno nennt.  

Aber dazu mehr in einer Woche...   

Und Action

Und Action

Versuch vor Ort im Supermarkt: Eier, Fischstäbchen, Milch – das landete im SmartTrolley. Über den RFID-Tag auf dem Produkt konnten die Kunden mehr Informationen zu den Themen “Bio”, “Region”, “Zucker” und “Preis” erfahren. Begleitet wurden sie dabei stets von einem Teammitglied, das bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite stand.

Nach vier Tagen voller Arbeit, Hirnschmalz und Schweiß stand endlich der finale fünfte Tag mit der Demo unseres StoryTrolleys an. Dazu war Vorbereitung natürlich wie immer die halbe Miete: Am Abend zuvor kauften wir unsere insgesamt 35 Testprodukte und versahen sie mit ihren individuellen RFID-Tags, auf denen die Informationen zu den jeweiligen Produkten gespeichert waren. 

Außerdem ließen wir in einem Lüneburger Copyshop zahlreiche StoryTrolley Sticker anfertigen, um die entsprechenden Produkte zu kennzeichnen. Desweiteren ließen wir zwei StoryTrolley Kochschürzen anfertigen, um den Test im Supermarkt auch stilecht begleiten zu können – was unter den regulären Kunden jedoch zu einigen Verwechslungen mit dem tatsächlichen Ladenpersonal führte. 

Am Testtag selber starteten wir dann um 08:00 Uhr morgens und teilten zunächst die anfallenden Aufgaben auf: Einer begrüßte die Testkunden am Eingang und erklärte ihnen das Konzept des StoryTrolleys und den Versuchsaufbau. Ein anderer stellte daraufhin vorab ein paar allgemeine Fragen zum Kaufverhalten unserer Testkunden. Danach konnte es dann auch schon mit dem eigentlich Test losgehen, der bei den meisten rund 20 Minuten in Anspruch nahm. Dazu spielte unser SmartTrolley eine zufällige Einkaufsliste aus, die unsere Testkunden abarbeiten sollten. 

Eier, Fischstäbchen, Milch – so einige Produkte landeten im SmartTrolley, über die die Kunden durch auslesen des auf den Produkten befindlichen RFID-Tags mehr Informationen aus den Themenbereichen “Bio”, “Regionalität”, “Zucker” und “Preis” erfahren sollten. Begleitet wurden sie dabei stets von einem Teammitglied, das bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite stand. 

Am Ende mussten die Kunden den Einkauf natürlich nicht bezahlen und konnten stattdessen den Fasttrack vorbei an den Kassen nehmen, um zurück am Eingang von einem weiteren StoryTrolley Teammitglied empfangen zu werden. Abschließend holten wir noch ein direktes Feedback der Kunden ein und belohnten sie anschließend für ihren Zeitaufwand mit einem 15 EUR-Einkaufsgutschein. 

Begleitet wurde der Test (neben der GoPro, die wir am Kopf des Einkaufswagens befestigten) zudem von Rocket Beans TV, die eine kleine Dokumentation unseres Projektes anfertigen. Bald gibt es also auch einige Videoeindrücke von der Konzeption, dem Bau und dem Test unseres StoryTrolleys - stay tuned!

Aufatmen mit dem Bischof

Aufatmen mit dem Bischof

Seit Jahrtausenden Wertexperten par excellence: die Kirche! Deswegen hat es uns besonders gefreut, dass das Bistum Osnabrück uns in ihren heiligen Hallen empfangen hat, um über ein spannendes Projekt zu berichten: Ein Jahr lang war das Thema im Bistum “Aufatmen”!

Und das hat natürlich eine Menge mit Wirtschaft und Arbeit zu tun: Wie können wir mal wieder aufatmen, durchatmen... und was bedeutet das eigentlich: weniger arbeiten, anders arbeiten, Druck raus lassen, sich wirtschaftlicher Verwertungslogik zu entziehen? Und warum brauchen wir dafür Schrittmacher und das Bild der Brache? Bald mehr auf der Webseite DieZumutung.de

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