Schmecken –
ein überlebenswichtiger und noch zu unterschätzter Sinn
"Politik, Gesundheitskonzepte, Diäten und Lebensmittelindustrie – sie alle arbeiten daran, unseren Geschmackssinn ihren Interessen gemäß zu lenken. Warum ist unser Geschmackssinn so anfällig für MANIPULATIONEN von außen?
Gemeinhin verstehen wir unter Schmecken den Eindruck, den jedwedes Essen oder Trinken auslöst. Er ist häufig verbunden mit einem Werturteil: „Es schmeckt mir“ meint recht allgemein und undifferenziert, dass das gerade Gegessene oder Getrunkene mein Wohlgefallen findet (oder eben nicht, wenn ich mich abfällig äußere). Das könnte uns zu der naheliegenden Annahme verleiten, dass Essen und Trinken vor allem dafür da sei, uns zu Erfreuen. Doch das hieße, die Macht und Bedeutung der Geschmacks Sensorik fahrlässig zu unterschätzen.
Allgemeiner verstanden ist Schmecken die Summe der sensorisch ausgelösten Wahrnehmungen beim Essen und Trinken. Dem Sehen vergleichbar stellt sich die sensorische Geschmacksempfindung unmittelbar ein. Sie kann keinesfalls willentlich gesteuert werden, ist auch in ihrer Intensität nicht beeinflussbar.
Das hat einen recht einfachen Grund: Das primäre Interesse unseres Körpers ist das simple, existenzielle Überleben. Der im Laufe der Evolution ausgebildete Geschmackssinn bewertet nahezu unwillkürlich, ob uns eine Nahrung zuträglich ist, noch bevor sie der Verdauung zugeführt wird.
Dazu bedient er sich lediglich fünf Qualitäten: süß, sauer, salzig, umami und bitter (diskutiert wird, ob es mit Fett und Wasser zwei weitere geben könnte). Mit ihrer Hilfe werden der Energiegehalt, die Elektrolytzusammensetzung und schädliche Stoffe einer Nahrung identifiziert. Das Ergebnis führt unmittelbar zu einer hedonischen Bewertung zwischen ausgesprochen angenehm und extrem unangenehm. Bei kleinen Kindern gibt es eine freudige Aufnahme von süß, umami und (in engen Grenzen) salzig. Mit expressiver Abneigung hingegen reagieren sie auf Bitteres und Saures.
Die Geschmacksempfindungen selbst sind keinesfalls manipulierbar. Doch die resultierende hedonische Bewertung unterliegt durch die im Laufe des Lebens gewonnenen individuellen Erfahrungen erstaunlichen Modifikationen. Dazu zählt vor allem – aber nicht nur – die Bekömmlichkeit:
Wir sollten schätzen, was uns gut tut.
Und obwohl bitter, lernen wir, Bier und Schokolade sehr zu mögen. Darüber hinaus können vielfältige soziologische und psychologische Faktoren auf hedonische Bewertungen Einfluss nehmen. Die Perspektive für vielfältige individuelle Anreicherungen und Entwicklungen ergeben sich hieraus. Das ist aber eben auch die Einflugschneise für äußere Interessen".